Was wissen wir über minderjährige KZ-Häftlinge und welche besonderen Erfahrungen machte diese Häftlingsgruppe? Die Online-Ausstellung "Jugend im KZ" geht diesen Fragen auf Grundlage von vielfältigem Quellenmaterial und biographischen Skizzen zu Kindern und Jugendlichen, die in den den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora sowie diverser Ausßenkommdos dieser Lagerkomplexe nach.
Die Ausstellung basiert auf einem Seminar am Lehrstuhl für Geschichte in Medien und Öffentlichkeit aus dem Wintersemester 2020/21. Die Studierenden erschlossen sich die historischen Kontexte zum Thema Kindheit und Jugend im Nationalsozialismus sowie zum KZ Buchenwald und den darin inhaftierten minderjährigen Gefangenen und ihren vielfältigen Verfolgungsgeschichten. Im Mittelpunkt stand die Frage, wie sich die Beziehungsgeschichte zwischen ausgegrenzten und verfolgten Kindern (Juden, Sinti und Roma, Kranke, Nichtdeutsche etc.) und dem Nachwuchs der selbsternannten „Herrenmenschen“ entwickelte. Auch der Umgang der Nachkriegsgesellschaften mit dem Thema wurde bearbeitet.
Im Verlauf des Seminars stellte sich alsbald heraus, dass der Fokus auf Kinder im KZ erweitert und ebenso die zahlreichen Jugendlichen unter 21 Jahren miteinbezogen werden mussten. Ebenso wurde die räumliche Perspektive um das KZ Mittelbau-Dora erweitert, das 1943 als eines der zahlreichen Außenlager des KZ Buchenwald gegründet worden war.
Durch die Zusammenarbeit mit Mitarbeiter:innen der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora entwarfen die Student:innen im Seminar Ausstellungskapitel mit vielfältigen Exponaten. Gestaltet und und realisiert wurde die Online-Ausstellung durch das Berliner Studio IT’S ABOUT.
Die Ausstellung „Jugend im KZ. Buchenwald und Mittelbau-Dora“ (Deutsch/Englisch) richtet sich sowohl an Besucher:innen der Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora als auch an alle interessierten Personen. Für die didaktische Vor- und Nachbereitung steht auch pädagisches Material zur Verfügung.
Die komplette Ausstellung findet sich unter folgendem Link:
Leitung und Redaktion
Dr. Daniel Schuch, Prof. Dr. Jens-Christian Wagner
Ausstellungstexte
Bruno Bauer, Leonie Dellen, Judith Hilz, Liz Jasiek, Kristin Liefeith, Johanna Lutz, Laird McNeil, Franziska Mendler, Patrick Metzler, Christian Nöth, Antonia Petereit, Anneke Schmidt, Johannes Schmitz, Dr. Daniel Schuch, Lukas Schuffenhauer, Marie-Luise Sittauer, Prof. Dr. Jens-Christian Wagner
Exponat- und Rechtebeschaffung
Franziska Mendler
Design und Realisierung
Studio IT’S ABOUT, Berlin
Am 27. Januar 2023 wurde im Deutschen Bundestag erstmals der queeren NS-Opfer gedacht. Aus diesem Anlass haben wir im Thüringer Landtag die Ausstellung "Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora" eröffnet. Die Ausstellung basiert auf einem gemeinsamen Seminar von Prof. Jens-Christian Wagner und Dr. Daniel Schuch.
Über die Ausstellung:
Etwa 700 Männer wurden im Nationalsozialismus als Homosexuelle in die Konzentrationslager Buchenwald und Mittelbau-Dora in Thüringen verschleppt. Circa die Hälfte von ihnen überlebte nicht. Im Unterschied zu anderen Verfolgtengruppen wurde den als homosexuell Verfolgten nach 1945 jahrzehntelang die Anerkennung als NS-Opfer verweigert. Ursache dafür waren Kontinuitäten der Verfolgung, die lange vor 1933 begann und nach 1945 andauerte: Der im Deutschen Kaiserreich 1871 eingeführte und von den Nazis 1935 verschärfte § 175 stellte männliche Homosexualität unter Strafe. Obwohl sich die strafrechtliche Verfolgung per Gesetzestext ausdrücklich auf homosexuelle Männer bezog, wurden auch Lesben, Transpersonen und Sexarbeiter:innen Opfer der homofeindlichen Verfolgung durch den NS-Staat. Diskriminierung und Verfolgung endeten mit der Niederschlagung des Nationalsozialismus nicht. In der alten Bundesrepublik wurde der Strafrechtsparagraf erst 1968 abgeschwächt und 1994 endgültig abgeschafft.
Unter welchen Bedingungen queere Menschen im KZ litten und welche Erfahrungen der Diskriminierung und Kriminalisierung sie auch nach der Befreiung machten, erzählt die Ausstellung „Rosa Winkel. Als homosexuell verfolgte Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora“ erstmalig. Erarbeitet wurde die Ausstellung 2022 unter Leitung von Dr. Daniel Schuch und Prof. Dr. Jens-Christian Wagner von Studierenden der FSU Jena in Kooperation mit der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora. Die Gestaltung und Realisierung erfolgte durch das Weimarer Büro werkraum_media.
Im Mittelpunkt der Präsentation stehen die Lebens- und Arbeitsbedingungen als homosexuell verfolgter Häftlinge in den Konzentrationslagern Buchenwald und Mittelbau-Dora. Auf der Grundlage zahlreicher, teils erstmals der Öffentlichkeit präsentierter Fotos, schriftlicher Dokumente und Erinnerungsberichten ehemaliger Häftlinge aus deutschen und internationalen Archiven zeigt die Ausstellung, dass die mit einem rosa Winkel gekennzeichneten Häftlinge in Buchenwald und Mittelbau-Dora zeitweise auf der untersten Stufe der sozialrassistisch bedingten Häftlingshierarchie standen und unter einem hohen Vernichtungsdruck standen. Die meisten wurden der Strafkompanie zugeteilt und mussten auszehrende Zwangsarbeit im Steinbruch leisten. Zudem schob die SS sie häufiger als andere Häftlinsgruppen in das als Todeskommando berüchtigte Außenlager Dora ab. Einige Häftlinge litten zudem unter pseudomedizinischen Versuchen, die Ärzte an ihnen vornahmen, um ihre Homosexualität zu „heilen“.
Ganz bewusst beschränkt sich die Ausstellung nicht auf das Thema der Verfolgung Homosexueller im Nationalsozialismus. Gerahmt wird der Ausstellungskern von zwei Abschnitten, die den Umgang mit Homosexualität im Kaiserreich und in der Weimarer Republik thematisieren und den Blick auf rechtliche und gesellschaftliche Kontinuitätslinien nach 1945 werfen. Nicht nur die in beiden deutschen Staaten bis in die 1980er (DDR) bzw. 1990er Jahre (Bundesrepublik) andauernde strafrechtliche Verfolgung ist hier zu nennen,sondern auch die bis in die 2000er Jahre vom Staat verweigerte Anerkennung und Entschädigung verfolgter Homosexueller als Opfer des Nationalsozialismus. In der Ausstellung präsentierte neu recherchierte Dokumente des Ministeriums für Staatssicherheit machen deutlich, dass auch in der DDR die Würdigung der homosexuellen KZ-Opfer zumindest behindert wurde. Dass sich der gesellschaftliche Blick auf das Thema Homosexualität und auf die homosexuellen Opfer des Nationalsozialismus schließlich änderte, ist vor allem der Selbstorganisation von Schwulen und Lesben zu verdanken, die seit den 1970er Jahren selbstbewusst für ihre Rechte eintraten und die sich den rosa Winkel als Symbol aneigneten.
Mit dem Epilog endet die Ausstellung dennoch wenig optimistisch. Als Opfer des Nationalsozialismus werden die als homosexuell Verfolgten zwar mittlerweile fast überall gewürdigt. Die Homophobie ist damit aber nicht überwunden. Vielmehr erlebt sie in Staaten wie Ungarn, Polen, Russland oder dem Iran einen neuen Aufschwung, und auch in Deutschland müssen Schwule, Lesben und Transpersonen Diskriminierung, Ausgrenzung oder sogar offene Gewalt durch ihre Mitbürger:innen fürchten.
Leitung
Dr. Daniel Schuch, Prof. Dr. Jens-Christian Wagner
Studentisches Ausstellungsteam Friedrich-Schiller-Universität Jena
Georg Auerswald, Bruno Lino Brauer, Helene Brouwers, Jennifer Gnädinger, Mirjam Göbel, Lena Hartwig, Jupp Heckelmann, Sophie-Marie Hohmann, Tamy Jodeit, Anna-Antonia Kuhnt, Ma Shiyu, Franziska Mendler, Lisa Marie Meuche, Leonie Naujoks, Simon Niederberger, Marcel Julian Paul, Rike Pietrzeniuk, Caspar Rehlinger, Leyla Charlotte Roebken, Linda Stark, Franka Steller, Anna Weichmann, Amelie Winter
Gestaltung
werkraum-media.de
ProduktionPigmentpol Thüringen GmbH, Kneisz Design Weimar
Rechte- und Exponatbeschaffung
Franziska Mendler, Lisa Oelmayer, Anna Weichmann
Verwaltung
Steffi Otto (FSU Jena), Antje Hitzschke (Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora)
Die mobile Wanderausstellung kann kostenlos bei der Stiftung Gedenkstätten Buchenwald und Mittelbau-Dora angefragt werden.